Das Böse hat die besseren Geschichten
Warum machen wir das alles hier überhaupt?
oder: Die Welt braucht Orte wie STATTLAB, wo man „Truck Fonald Dump“ T-Shirts drucken kann
Warum ist es im Moment eigentlich leichter, eine Wahl zu gewinnen mit der Behauptung, das Ende der Welt sei nahe, als mit der Zusage, pragmatisch konkrete Probleme zu lösen?
Ist es etwa so, dass tatsächliche Probleme heutzutage unsexy sind – weil sie komplex sind, Einarbeitung erfordern, keine schnellen Erfolge versprechen und auch noch Kompromissbereitschaft voraussetzen? Gesetzliche Rentenversicherung, Maßnahmen zum Klimaschutz, Rassismus im öffentlichen Dienst – alles dicke Bretter, die nur begrenzt Tatendrang oder Leidenschaft auslösen. Hingegen die Ankündigung, dass ein Asylbetrüger entdeckt wurde, dass Klopapierknappheit oder Zwangsimpfungen drohen oder gar die Benzinpreise steigen könnten – sowas lässt keinen kalt, und schon ist Stimmung, schon werden Stellungen eingenommen und Gräben ausgehoben...
Man kann wohl sagen, dass kommunikationshalber alles gut funktioniert und verlässlich Leute anspricht, was an ihre Ängste appelliert. Besonders an Verlustängste, die funktionieren immer schnell und gut: Generell scheint die Angst vor Verlust viel stärker und nachhaltiger zu wirken als die Freude auf oder über einen Gewinn der gleichen Größe (die Freude darüber, 100 Euro zu bekommen ist also nicht so stark wie die Angst, 100 Euro zu verlieren). Gut funktioniert auch, was nicht zu kompliziert ist. Was Instinkte anspricht. Was nicht zu langfristiges Überlegungen verlangt. Was ein starkes Wir-Gefühl und Gruppenabgrenzung erlaubt. Was intuitiv einleuchtet, weil es vorhandenes Wissen oder Vorurteile bestätigt. Mit anderen Worten: Sieht also schlecht aus für Themen, die aufgrund ihrer Komplexität keine einfachen, schnellen Wahrheiten erlauben, für Themen, die alle betreffen oder gar Kompromisse erfordern. Alles sehr unattraktiv und schwer zu verkaufen. Wer hier Leute überzeugen will hat es nicht leicht.
Wer hingegen gar nicht konstruktiv erklären oder Probleme lösen will, hat es viel leichter, offene Ohren und Herzen zu finden. Im Ergebnis bedeutet das einen Wettbewerbsvorteil für denjenigen, der Angst machen will – warum auch immer, sei es aus purer Lust am Kaputtmachen oder um durch Spaltung Macht zu erlangen – gegenüber dem, der Leute mit Argumenten und Lösungen überzeugen will.
Das ist jetzt natürlich blöd. Jedenfalls wenn man für sich persönlich den Anspruch hat, auf der Seite des Guten zu kämpfen, also konstruktiv an Lösungen zu arbeiten. Und nicht plant, moralische und fachliche Autorität durch Angst und Polarisierung zu ersetzen (das ist ein anderes Projekt und nicht Gegenstand dieses Artikels).
Für mich folgt daraus: Zum einen muss natürlich jede Position fachlich begründbar und moralisch vertretbar sein, das ist selbstverständlich. Aber darüber hinaus braucht jede Position neben den reinen Argumenten auch eine Vision. Also eine höhere Motivation und eine auch emotional packende Erzählung. Die Leute wollen eine Geschichte.
Aber ist nicht trotzdem noch die positive Vision der negativen unterlegen, weil Angst ein so starkes und leicht zu aktivierendes Gefühl ist, das so viel anderes blockieren kann? Ich meine nicht. Denn es gibt eine überlegene Kraft, die letztlich nicht nur falsche Argumente entlarven kann, sondern auch die Angst zahnlos macht: Lachen. Jeder Todesstern hat seine schwache Stelle, und jede Panikmache hat ihre komische Seite. Man muss sie finden. Und natürlich braucht es Kraft und Zuversicht, über schreckliche Sachen zu lachen. Aber letztlich lässt Lachen Drohszenarien in sich zusammenfallen. Wie Zombies in den ersten Strahlen der Morgensonne. (Liebe Harry-Potter-Fans: Ja, ein Ridiculus-Zauber ist stärker als ein Patronus-Zauber). Laugh trumps hate. Angst verliert ihre verstandeslähmende Macht angesichts eines guten Witzes. Lachen verbindet Menschen und erlaubt dem Gehirn, wieder an die Arbeit zu gehen und Sachen in Frage zu stellen.
Damit muss es kein entscheidender strategischer Nachteil mehr sein, auf der Seite des Guten zu stehen.
(Sei dabei nächste Woche bei der Fortsetzung, „Die Welt beherrschen in drei einfachen Schritten“).
Dieser Meinungsartikel von Nils Neumann und Adam Roe erschien erstmals als EDITORIAL zum STATTLAB Jahrbuch 2020